Apophänauten


Justinus Kerner Klecksographie (Auszug)

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Todesbote

Den Hadesbildern noch zuvor
Erhoben aus der Dinte Nacht
(Mein Herz hat nicht an sie gedacht)
Die Todesboten sich empor.

Es wird wohl manchem bei Lesung und Betrachtung dieser Blätter vielleicht zu Sinne kommen, wie er schon in frühester Jugend durch Zerdrückung von kleinen, färbenden Beeren, ja gar Fliegenköpfen usw. auf zusammengelegtem Papier, ohne Kunst, ohne Hülfe von Bleistift und Pinsel, Zeichnungen hervorgehen sah. Dessen erinnere ich mich auch noch aus meiner Jugend.
Todesboetin

Die fliegende Todesbötin schau,
Ein schlimmes Gespenst wie die weiße Frau;
Wenn solche nachts flieget in ein Haus,
An das Fensterglas legt wie Glühwurms Schein
Den Kopf, daß er leuchtet ins Zimmer hinein,
So trägt man da eines bald tot hinaus.

Die Zunahme meiner halben Erblindung war die Ursache, daß ich es in diesem jugendlichen Spiel weiterbrachte; denn dadurch fielen mir, wenn ich schrieb, sehr oft Dintentropfen aufs Papier. Manchmal bemerkte ich diese nicht und legte das Papier, ohne sie zu trocknen, zusammen. Zog ich es nun wieder voneinander, so sah ich, besonders wenn diese Tropfen nahe an einen Falz des Papiers gekommen waren, wie sich manchmal symmetrische Zeichnungen gebildet hatten, namentlich Arabesken, Tier- und Menschenbilder usw. Dies brachte mich auf den Gedanken, diese Erscheinung durch Übung zu etwas größerer Ausbildung zu bringen.
FrauImSpiegel

In eines Schlosses Frau'ngemach
Hing ein uralter Spiegel,
Jetzt hält man ihn dort unterm Dach
Fest unter Schloß und Riegel. (...)

(...) Bemerkt muß werden, daß man nie das, was man gern möchte, hervorbringen kann und oft das Gegenteil von dem entsteht, was man erwartete. Es kamen also auch diese hier gegebenen sogenannten Hadesbilder nicht durch meinen Willen und durch meine Kraft hervor, ich bin der Zeichenkunst ganz unfähig, sondern sie kamen auf jene oben beschriebene Weise allein durch Dintenkleckse zutage und erforderten dann oft gar keine, oft nur unerhebliche Nachhilfe durch einige Federstriche oder durch künstliche Nachzeichnung von Gesichtern.




Geistin

Die Geistin hier in schwarzer Tracht
Schwebt aus der Burg jedwede Nacht,
Sobald tönt zwölf des Turmes Glocke;
Auf ihrem langen, schwarzen Rocke
Sich bildet ein Gerippe dann,
Das Totengeripp' von ihrem Mann.

Zu bemerken habe ich auch noch, daß diese Bilder natürlich nicht nach dem Texte, sondern daß der Text nach ihnen gemacht wurde, und so möge auch der Leser und Betrachter dieser Blätter sie und ihre Erklärung in Versen mit Nachsicht aufnehmen.